Diese Frage hat mir vor Kurzem eine Teilnehmerin gestellt. Auf den ersten Blick klingt sie einfach, aber sie hat mich zum Nachdenken gebracht. Denn einerseits ist es wichtig, ein klares Verständnis davon zu haben, was eine Praxis wie Shiatsu bewirken kann. Andererseits kann das Festlegen eines festen Ziels etwas von dem verlieren, was Shiatsu ausmacht: die Offenheit für das, was im Moment entsteht, die Begegnung mit dem anderen und mit sich selbst, und die Möglichkeit, sich einfach auf die Erfahrung einzulassen.
Brauchen wir ein Ziel?
Shiatsu hat natürlich Ziele: Es kann Verspannungen lösen, den Körper in seiner Selbstheilungskraft unterstützen, den Geist zur Ruhe bringen und eine tiefere Verbindung zu uns selbst fördern. Diese Ziele geben einen Rahmen und Orientierung, sowohl für denjenigen, der Shiatsu gibt, als auch für denjenigen, der es empfängt.
Aber in meiner Erfahrung ist Shiatsu mehr als das Erreichen eines bestimmten Ergebnisses. Wenn wir mit dem Körper und dem Zustand eines Menschen in Berührung kommen, betreten wir einen einzigartigen Moment – eine Begegnung, die weder vorhersehbar noch wiederholbar ist. Ein festgelegtes Ziel – wie das Lösen eines Schmerzes oder das “Richtigstellen” eines Ungleichgewichts – kann uns davon abhalten, den Wert dessen zu erkennen, was einfach im Moment geschieht.
Die Schönheit der Offenheit
Es ist ein bisschen wie bei Dingen, die wir alle kennen: Spielen, Tanzen oder jemanden umarmen. Diese Erlebnisse brauchen kein klares Ziel, um wertvoll zu sein. Wenn wir Tanzen nur als “Sport” oder eine Umarmung als “Mittel zum Vertrauen schaffen” sehen, nehmen wir ihnen etwas Wesentliches – ihre Spontaneität, ihre Echtheit, ihre Fähigkeit, uns ganz im Moment zu berühren.
Auch Shiatsu funktioniert so. Es ist ein Raum, in dem wir uns begegnen und uns gegenseitig begleiten können – ohne die Erwartung, dass “etwas Bestimmtes” passieren muss. Und oft entstehen in dieser Offenheit die schönsten Veränderungen: tiefe Entspannung, emotionale Befreiung oder Einsichten, die wir vorher nicht erwartet haben.
Vielleicht erinnerst du dich, dass ich den Kurs mit einer Meditation begonnen habe. Das hatte genau diesen Grund: Ich wollte den Geist ins Hier und Jetzt bringen. Wenn wir mit unseren Gedanken zu sehr an Zielen, Erwartungen oder Ergebnissen hängen, verpassen wir die Möglichkeit, Shiatsu als eine direkte, lebendige und überraschende Erfahrung zu erleben.
Zwischen Ziel und Freiheit
Als Antwort auf die Frage der Teilnehmerin habe ich gesagt, dass das Ziel von Shiatsu eigentlich das ist, was die Person selbst gerade braucht. Das kann Entspannung sein, emotionale Balance oder einfach ein Moment, um aus dem Alltag auszusteigen. Gleichzeitig habe ich aber betont, dass Shiatsu nicht immer ein klares Ziel braucht, um wirksam zu sein. Manchmal reicht es, einfach da zu sein, offen zu sein – für den Moment, für die Begegnung, für das, was von selbst entsteht.
Vielleicht liegt die tiefste Essenz von Shiatsu genau hier: zu lernen, wie wir zwischen Klarheit und Offenheit balancieren können, zwischen Absicht und Akzeptanz, zwischen Tun und Sein.
Fazit:
Shiatsu erinnert uns daran, dass wir nicht immer feste Antworten brauchen. Manchmal reicht es, eine gute Frage zu stellen und der Erfahrung selbst Raum zu geben – Atemzug für Atemzug.
Was denkst du? Kannst du dir vorstellen, dass Klarheit und Offenheit Hand in Hand gehen?
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